NEUES AUF VINYL
„Schwarzhörern" empfiehlt STEREO
monatlich die besten Schallplatten
des „Schwarzmarktes"
Jack W h ite
LAZARETTO
Third Man Records LP; www.vinylkatalog.de
Jack W hite bleibt der Hexenmeister
der aktuellen Rockmusik. Auch die
vorliegende LP „Lazaretto“, durch
geschicktes Marketing zur meistver-
kauften LP seit rund zwei Jahrzehn-
ten avanciert, ist ein Schmelztiegel
der Kreativität, die sich nicht darauf
beschränkt, dass Seite
1
in der
Innenrille beginnt und mit einer
Endlosrille endet. Vielmehr versteht
es der musikalische Kosmopolit wie
schon beim Vorgängeralbum „Thun-
derbliss“, seine eigenen Ideen mit
einer Vielzahl fremder Einflüsse - die
von Led Zeppelins Gitarrenstil über
die Rhythm ik der Red Hot Chilli
Peppers bis hin zu David Bowies
Gesangsstil reichen - zu mischen.
Das wirkt nie abgekupfert, sondern
ergibt unvergleichliches Neues. Das
variabel und originell instrumentier-
te musikalische Spektrum beginnt
bei Country, lässt aber klassische
Rock-Klischees trotz klirrender Gi-
tarren und beißender Streicher weit
hinter sich. Welchen der elf Titel, die
in m äßiger Klang-, aber sauberer
Pressqualität daherkom men, man
herausheben sollte, verm ag ich
nicht zu sagen. Sie wollen wissen,
wo Rockmusik heute steht? Genau
hier!
Michael Lang
Chris Rea
FOOL IF YOU THINK ITS OVER
Ear Musci/Edel LP; www.dacapo.records.de
Vorausschicken muss ich, dass ich
Chris Rea und seine stimmungsvolle
Musik sehr schätze, wobei das die
Hits wie „Josephine“ oder „On The
Beach“ mehr betrifft als den Blues
seiner späteren Schaffensperiode.
Auf dieser aufwendig gestalteten
Edition ist nun beides enthalten.
Nach seiner schweren Krankheit hat
Chris Rea seine besten Songs neu
aufgenommen, wobei er sämtliche
Instrum ente selbst spielt - was
leider die größte Schwäche dieses
Albums ist. Respektabel zwar alle-
mal, was der M eister solo auf die
Beine gestellt hat. Besser aber sind
die Stücke dadurch nicht geworden,
es fehlt ein wenig der organische
Fluss und die Spannung, welche
bei der Interaktion von klasse In-
strum entalisten entstehen. Oder
das Schlagzeug, das hier dem
Drum com puter geopfert wurde.
Wobei Reas rauchiges Stimmorgan
nach wie vor hörenswert ist. Wer
also die Hits bereits besitzt und
den Rea-Blues eher nicht mag, der
kommt an diesem Album vorbei.
Andere dürfen zuschlagen, zumal
Klang und Fertigung der beiden
Scheiben tadellos ist.
Tom Frantzen
The Beatles
THE BEATLES IN MONO
Apple 14 LPs, www.vinylkatalog.de, zirka 380 Euro
Giles Martin ist stolz auf seinen
Stereo-Rem ix der Songs für „A
Hard Day’s Night“ auf der unlängst
veröffentlichten Remaster-Fassung
für DVD und Blu-ray: Nie klangen
diese Beatles-Aufnahmen für ihn
mehr wie Rock’n’ Roll als hier. Dem
ganzen Hype um die von den origi-
nalen Analog-Mutterbändern und
nicht von Digital-Kopien überspiel-
ten Vinyl-Remaster zum Trotz bleibt
Tatsache: Im Vergleich zu diesen
exzellent gelungenen Neuabmi-
m
schungen häitsich hierderkiang-
B
e a
t l e s
liehe Mehrwert in Grenzen.
Was die „Back to Mono!“-
Fraktion
unter den
Fans
freuen dürfte: In allen Fällen
findet man auf den LPs die
originalen Mono-Mixes, also keine
sogenannten „Fold-down-M ixes“,
sprich: die Mono-Summe einer Ste-
reo-Abmischung. Dass es sich etwa
im Fall des „Weißen Albums“ um den
ursprünglichen Mono-Mix handelt,
erkennt man unschwer etwa daran,
dass nach „Yer Blues“ bei dem um
eine Minute kürzeren Mix kein von
Schmerzen gepeinigter Ringo Starr
mit dem Urschrei „I got blisters on
my fingers!“ zu hören ist. Bei dem
ganzen Faksimile-Unternehmen sind
auch die Cover möglichst authen-
tisch wie seinerzeit die englischen
Vinyl-Veröffentlichungen reprodu-
ziert, das „Weiße Album“ mit allen
Beigaben und „Beatles For Sale“
mit den Liner Notes, in denen Derek
Taylor versicherte: „There is little or
nothing on the album which cannot
be reproduced on stage, which is,
as students and critics of pop-music
know, not always the case.“ Als wäre
es eine der vornehmsten Qualitäten
aller Popmusik, dass man die Songs
auch exakt so wie im Studio auf der
Konzertbühne spielen könne. Dabei
hatte sich George Martin im Studio
zu dem Zeitpunkt schon seit den
Aufnahmen für „A Hard Day’s Night“
einiges bei der Produktion einfallen
lassen, was wiederum die Band
davon abhielt, zunehmend komple-
xer arrangierte Songs auch live zu
präsentieren. „A Hard Day’s Night“
war auch die LP, bei der er erstmals
so etwas wie einen „m odernen“
Stereo-Mix ausprobierte.
Kuriosa sind in der Geschichte der
Pop/Rockmusik im mer die ersten
beiden Beatles-LPs im „binauralen“
Zweispur-Mix mit dem berüchtigten
„Loch-in-der-Mitte“-Effekt geblieben.
Weshalb die von nach guten alten
Mono-Zeiten süchtigen Musiklieb-
habern gern als scharfes Argument
gegen die Verderbtheit der moder-
nen Stereo-Welt in die Diskussion
gebracht werden. Dass die Mono-LPs
den Sound der frühen Beatles au-
thentischer repräsentieren, kann man
kaum bestreiten. Bieibt
nur die späte Frage,
warum sich George
Martin und sein Ton-
mann Norman Smith
nicht ein wenig bei den
Kollegen der Klassik-Abteilung um-
hörten und sich von den Cracks dort
ein paar Tipps geben ließen. Statt-
dessen erlaubte sich Martin mit sei-
nem Team bei den Mixes zu „Beatles
For Sale“ einen förmlichen Exzess an
Ping-Pong-Stereo. Bei dieser letzten
großen Hommage der Beatles an die
Idole der Rock ’n’ Roll-Ära klingen
die Klassiker von Chuck Berry, Little
Richard und Carl Perkins mono auf
Vinyl-LP durchaus authentischer als
die eigenen neuen Songs.
Was die Klangqualität der neuen
Vinyl-Remaster angeht, unterschei-
den sich die ersten beiden LPs von
den Mono-CDs allenfalls marginal.
Auffällig ist dagegen bei der CD
von „A Hard Day’s Night“ der heller
timbrierte, punktgenau mono m it-
tige Sound, während die Songs im
Vinyl-Mastering etwas „breitwandi-
ger“ und fülliger klingen. Tendenziell
exakt umgekehrt verhält es sich im
Fall von „Help!“.
Eine Zäsur m arkierte bei den
Beatles-Aufnahmen „Rubber Soul“
insofern, als die Tonmeister bei den
Abmischungen der neuen Songs
dafür sorgten, dass McCartney am
Höfner-Bass endlich sehr prominent
zu hören ist. Auf den LPs und auch
Singles wie „Paperback W riter“
änderte sich der Beatles-Sound
dramatisch. Anders als in Interviews
angedeutet reduzierte der fürs Re-
m astering verantw ortliche Sean
Magee deswegen den Bassbereich
beim Vinyl-Mastering erfreulicher-
weise nicht drastisch. Bei „Sgt.
Pepper's Lonely Hearts Club Band“
wählte man für den Umschnitt nicht
nur einen verblüffend hohen Pegel,
die LP klingt auch besser als die
Mono-CD vor fünf Jahren! Dass al-
lerdings der Mono-Mix im Fall von
„Sgt. Pepper“ der einzig wahre sein
soll - geschenkt.
Keine Skrupel kannte man bei der
Einstellung des Überspielpegels
für die drei „Past M asters“-LPs.
Der
kom m t
dem
bei
M axi-
Singles praktizierten erstaun-
lich nah. Was die Pressquali-
tät angeht, boten nicht alle
1
LPs der Box ein durchgehend
ungetrübtes Hörvergnügen.
Franz Schäler
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STEREO 11/2014127